Die Skala der Ausbildung oder auch Ausbildungsskala im Pferdesport bildet eine der wichtigsten Grundbausteine in der Pferdeausbildung. Oftmals sind die Reitschüler genervt, wenn sie die Punkte der Ausbildungsskala für die Thematik Reitlehre oder Pferdeausbildung in den Reitabzeichen Lehrgängen auswendig lernen müssen. Allerdings sollten diese von jedem Reiter genannt und auch angewendet werden können, denn daran orientiert sich die gesamte Pferdeausbildung. In dem folgenden Blogbeitrag erklären wir dir die Grundsätze der Ausbildungsskala des Pferdes genauer und gehen auf verschiedene Übungen ein, welche dir und deinem Pferd dabei helfen, die verschiedenen Punkte des Ausbildungsplans zu erreichen.
Die Skala der Ausbildung für Pferde in der Reitlehre
Die klassische Reitlehre zielt darauf ab, das Pferd artgerecht zu trainieren. Hierbei spielen sowohl die natürlichen Bedürfnisse des Tieres eine Rolle als auch das Eingehen auf das Individuum Pferd. Die Vierbeiner können sehr verschieden sein und das Training muss auf die jeweiligen körperlichen Voraussetzungen, Fitness und Ausbildungsstand angepasst werden. Die Grundsätze der Skala der Ausbildung sollten hierbei unbedingt in der Pferdeausbildung fest verankert sein. Natürlich wollen wir nichts verallgemeinern, aber interessant ist, dass die meisten Dressurreiter die Ausbildungsskala benennen können, wohingegen die Reiterinnen und Reiter, welche vermehrt im Springsport unterwegs sind oder keine Turnierambitionen haben, sich damit vermehrt schwertun.
Allerdings sollte die Ausbildungsskala beim Reiten immer präsent sein, ganz gleich welche Art von Pferdesport du betreibst. Die Springpferde profitieren ebenso von einer Grundausbildung nach diesem Schema, da das Ziel die volle Entfaltung der natürlichen Möglichkeiten ist und die Durchlässigkeit erreicht werden soll, welche für Spring-, Dressur- und Freizeitpferde gleichermaßen wichtig ist. Das ganzheitliche Ausbildungssystem gibt den Weg der gesamten Pferdeausbildung vor, dient aber zusätzlich auch dem Aufbau jeder Trainingseinheit. Von keinem Pferd kann verlangt werden, sich von der ersten Sekunde unter dem Sattel zu versammeln und darüber hinaus ist dies auch schädlich für den Bewegungsapparat des Tiers. Jedes Training sollte einem Plan folgen und nicht einfach wild darauf los geritten werden. Hierbei orientierst du dich am besten jedes Mal erneut an der Ausbildungsskala Reiten, jedoch nur so weit, wie es der Ausbildungsstand deines Pferdes zulässt.
Die Punkte der Ausbildungsskala beim Reiten
Die Skala der Ausbildung ist folgendermaßen aufgebaut:
Zu lesen ist die Pyramide von unten nach oben. Allerdings solltest du die Punkte nicht schematisch abarbeiten, da sie sich gegenseitig beeinflussen und sich unter anderem auch gleichzeitig entwickeln können. So kann es passieren, dass Takt und Losgelassenheit gegeben waren, aber es bei der Erarbeitung der Anlehnung zu Taktunreinheiten kommt. Dies kann dann ein Indiz dafür sein, dass die Losgelassenheit noch nicht ausreichend vorhanden war.
Der Beginn der Ausbildung oder Trainingseinheit wird als Gewöhnungsphase bezeichnet. Danach liegt die Entwicklung der Schubkraft im Vordergrund, welche sich zum einen noch mit der Gewöhnungsphase überschneidet, aber zum anderen auch schon zur Entwicklung der Tragkraft beiträgt. Die Skala zielt darauf ab, das Gleichgewicht und die Durchlässigkeit im Laufe der Pferdeausbildung und der Trainingseinheit immer weiter zu fördern, sodass du und dein Pferd schlussendlich lange Freude miteinander habt.
Takt
Takt ist das zeitliche und räumliche Gleichmaß aller Schritte, Tritte und Galoppsprünge. Das Ziel ist, dass das Pferd in regelmäßiger Folge und in einem gleichmäßigen Rhythmus abfußt. Der Takt der jeweiligen Gangart muss jederzeit gegeben sein:
- Schritt: Viertakt
- Trab: Zweitakt
- Galopp: Dreitakt
Auch bei Tempoveränderungen wie dem Zulegen oder Zurückführen muss der Takt immer erhalten bleiben. Gleiches gilt auf gebogenen Linien, Seitengängen oder weiteren Dressurlektionen wie zum Beispiel der Pirouette, die besonders für die Gefahr des Taktverlusts bekannt ist.
Versuche zu Beginn das Grundtempo des Pferdes einzuhalten, um den Takt zu festigen und das Tier nicht zu sehr zu verunsichern. Ein gleichmäßiges und gefühlvolles Geben von Schenkel- sowie Zügelhilfen ist eine wichtige Grundvoraussetzung. Außerdem kann das Erreichen eines guten Taktes schwierig sein, wenn der Reiter nicht balanciert auf dem Pferderücken sitzt, da das Pferd die Bewegungen ausgleichen muss.
Losgelassenheit
Bei diesem Punkt spielt die physische, aber auch psychische Losgelassenheit eine Rolle. Ein unverkrampftes An- und Entspannen der Muskulatur ist für die weitere Ausbildung eine wichtige Voraussetzung und bedingt auch den Takt. Allerdings muss ebenso eine innere Gelassenheit gegeben sein, damit unruhige Pferde entspannter werden und die etwas fauleren Pferde sich williger in der Arbeit zeigen. Nur so können sich die Muskeln, Sehnen und Bänder korrekt aufwärmen und die äußerst wichtige Rückentätigkeit verbessert werden, welche wiederum Voraussetzung hinsichtlich der nächsten Punkte Anlehnung, Schwung und Geraderichten darstellt.
Eine wichtige Grundlage für die Lern- und Leistungsbereitschaft in der Pferdeausbildung stellt die äußere und innere Losgelassenheit dar. Jeder kann sich mit Sicherheit vorstellen, dass ein angespanntes Pferd keinen Spaß an der Arbeit hat und dadurch die Hilfen nicht annimmt oder annehmen kann. Oftmals hat das zur Folge, dass der Reiter die Hilfen stärker gibt oder auch mal grob wird und somit dem Pferd noch mehr Grund zur Anspannung gibt.
Ein Weg aus diesem Teufelskreis ist oftmals ein Schritt zurück. Reite dein Pferd entspannt am langen Zügel, fokussiere das Vorwärts-Abwärts-Traben oder gebe deinem Pferd die Möglichkeit, im Galopp etwas Dampf abzulassen. Beschäftige dein Tier mit Handwechseln, Übergängen und Tempi-Unterschieden, damit es sich auf dich konzentriert und die äußeren Einflüsse weniger wichtig werden.
Anlehnung
Als Anlehnung wird die stete, weich federnde Verbindung zwischen Reiterhand und Pferdemaul beschrieben. Sie sollte aus der Losgelassenheit resultieren, da das losgelassene Pferd die Anlehnung an das Gebiss sucht und an die Reiterhand herantritt. Auf keinen Fall sollte dies durch die Zügelhilfen erzwungen werden, denn dadurch verkrampft sich die Muskulatur und Takt sowie Losgelassenheit sind in Gefahr.
Die Anlehnung soll dem Pferd die Sicherheit geben, das Gleichgewicht unter dem Sattel zu finden, um sich ausbalancieren zu können. Anlehnung kann in einer Dehnungshaltung mit vorwärts-abwärts Tendenz sowie bei der Aufrichtung gegeben sein. Gib deinem Pferd die Sicherheit mit einer ruhigen Reiterhand und Zügelführung. Ein springender Zügel verunsichert das Pferd und es hat Schwierigkeiten, an das Gebiss heranzutreten. Aber auch keinerlei Kontakt ist nicht hilfreich, da dem Pferd so keine Richtung vorgegeben wird und es wahrscheinlich die Nase nur Richtung Himmel streckt.
Für viele Reiter ist es oberste Priorität, dass das Pferd vom ersten Schritt an am Zügel geht. Mit Gewalt wird versucht, den Pferdekopf in die richtige Richtung zu ziehen und später wird sich gewundert, warum nichts funktioniert und sich das Pferd widersetzt. Denke daran, dass sich die Muskulatur und in erster Linie der lange Rückenmuskel erst aufwärmen muss, um eine getragene Halshaltung zu ermöglichen. Mit einer zu harten Hand blockierst du dein Pferd und machst die Entwicklung des Schwungs, welcher als nächster Punkt auf der Ausbildungsskala steht, unmöglich.
Schwung
Die Übertragung des energischen Impulses aus der Hinterhand des Pferdes über den schwingenden Rücken auf die Gesamt-Vorwärtsbewegung des Pferdes wird als Schwung bezeichnet. Allerdings verstehen das viele Reiter falsch und jagen ihre Pferde vorwärts, obwohl Schnelligkeit nicht gleich Schwung bedeutet. Ein energisches, aber nicht hektisches Abfußen der Hinterhand ist gewollt, welche in der Schwebephase gut nach vorne durchschwingt. Daher kann Schwung nur in den Gangarten mit Schwebephase entwickelt werden, das heißt im Trab und im Galopp.
Die Vorderbeine sollten frei aus der Schulter heraus bewegt werden. Als elegant könnte ein schwungvoller Trab und Galopp bezeichnet werden, welcher sich durch mehr Vorderbein-Aktion, einer ausgeprägten Schwebephase, guten Raumgriff in der Trabverstärkung und mehr Bodengewinn in der Galoppverstärkung auszeichnet.
Achte darauf, dass ebenso in den Verstärkungen der Takt immer erhalten bleibt, vor allem durch eine elastische Reiterhand. Auch wenn der Schritt keine schwungvolle Gangart ist, sollte dein Pferd hierbei fleißig und raumgreifend schreiten.
Geraderichten
Bei einem geradegerichteten Pferd fußen die Hinterhufe in die Spuren der Vorderhufe. Was zuerst einfach klingt, ist allerdings eine echte Herausforderung, da das Pferd von Natur aus leicht schief ist. Bei Hunden ist dieses Phänomen zum Beispiel etwas leichter zu beobachten, wenn sie vor dir herrennen. Mit einem Hinterbein treten sie in die Spuren der Vorderbeine und mit dem anderen außen an einem Vorderbein vorbei. So ist das auch bei den Pferden der Fall. Durch gleichmäßiges Gymnastizieren beider Körperhälften kannst du diese natürliche Schiefe ausgleichen. Es klingt zwar etwas absurd, aber durch das Reiten großer gebogener Linien, Handwechsel, Schlangenlinien und auch Schenkelweichen wird das Geraderichten gefördert, da das Pferd an die diagonalen Hilfen gestellt wird.
Wichtig ist das Geraderichten vor allem für die Entwicklung der Schubkraft, da diese bei einem geradegerichteten Pferd unter den Schwerpunkt des Pferdes wirkt. Ebenso wird die Durchlässigkeit verbessert – ein wichtiger Schritt in Richtung Versammlung.
Auch die Gesundheit deines Pferdes wird durch das Geraderichten gefördert, da alle Beine gleichmäßig belastet werden und einer Überbelastung vorgebeugt wird. Allerdings musst du ebenso darauf achten, dein Pferd auf beiden Händen etwa gleich lange zu reiten und gymnastizieren. Viele Reiterinnen und Reiter wählen unterbewusst häufiger die Seite, auf welcher es besser funktioniert, damit hilfst du aber weder dir noch deinem Pferd.
Versammlung
Von einem versammelten Pferd erwartet man leichtfüßiges Ausbalancieren auf kleinerer Grundfläche mit energisch herangeschlossenem Hinterbein in selbst getragener Haltung. Der Schwerpunkt ist weiter nach hinten verlagert, da die Hinterhand mehr gebeugt wird, was auch als Hankenbeugung bezeichnet wird. Die Pferde haben dadurch eine Bergauftendenz, ohne dass der Reiter aktiv die Haltung des Kopfes oder Halses beeinflusst. Anstatt die Schubkraft nach vorne herauszulassen, wird sie abgefangen und in die Tragkraft der Hinterhand umgewandelt.
Wichtig ist aber, den Grad der Versammlung in Relation zum Ausbildungsstand und Alter des Pferdes zu sehen. Eine gewisse Versammlung ist für jedes Pferd sinnvoll, da dadurch das Gleichgewicht und die Durchlässigkeit gefördert wird. Allerdings wird von Pferden im hohen Dressursport eine weitaus höhere Versammlung gefordert als bei Spring- oder Freizeitpferden.
Durchlässigkeit
Das Ziel der Ausbildung und jeder Trainingseinheit ist die Durchlässigkeit. Dies bedeutet, dass dein Tier alle Hilfen von dir zwanglos und gehorsam annimmt. Ohne Blockaden und Verzögerungen sollen die Zügelhilfen vom Maul über Genick, Hals und den losgelassenen Rücken in die Hinterhand weitergegeben werden.
Jeder Reiter kennt wahrscheinlich das Gefühl, wenn Mensch und Tier eine Einheit sind und ohne Kraft die Hilfen so gegeben werden können, dass sie das Pferd gleich annimmt und umsetzt. Das ist das Hoch der Gefühle für Reiterinnen und Reiter.
Ausbildungsskala - Übungen für dein Pferd
Nun weißt du, wie die verschiedenen Punkte der Skala der Ausbildung für Pferde lauten, jedoch noch nicht, wie du sie erreichen kannst. Zuallererst lässt sich sagen, dass Reiten schon immer mit Geduld verbunden war. Du kannst dein Pferd nicht in die verschiedenen Schritte zwingen, sondern musst diese durch korrektes Reiten Schritt für Schritt erreichen. Nur weil dein Pferd gestern am Ende der Trainingseinheit eine Lektion gut gemeistert hat, heißt das noch lange nicht, dass du heute direkt da weitermachen kannst.
Jeden Tag aufs Neue wird die Skala der Ausbildung beim Reiten durchlaufen und führt so zu einer soliden Grundausbildung des Pferdes. Lasse deinem Pferd Zeit und gebe gefühlvolle, wohl dosierte Hilfen.
Vorwärts-abwärts Reiten
In der Gewöhnungsphase ist das vorwärts-abwärts-Reiten oder Zügel aus der Hand kauen lassen eine sehr gute Übung. Die Pferde lernen sich auszubalancieren und können ihren Takt finden. Durch das Gymnastizieren des Rückens wird die Losgelassenheit sowie ein stressfreies Reiten gefördert. Beim Zügel aus der Hand kauen lassen sollte das Pferd immer der Reiterhand folgen und den Kontakt suchen. Vor allem im Galopp ist diese Übung äußerst hilfreich, allerdings haben manche Pferde das Problem, den Galopp zu halten. Dies ist ein gutes Indiz dafür, dass sich dein Tier im Rücken festhält oder noch nicht genug Rückenmuskulatur aufgebaut hat. Baue daher diese Übung immer zwischendurch einmal ein.
Gebogene Linien und Übergänge
Übergänge auf gebogener Linie sollten als nächstes auf dem Trainingsplan stehen. Die Aktivierung des Hinterbeins steht hierbei im Vordergrund, was einen positiven Einfluss auf die Anlehnung und den Schwung hat. Die Übergänge sollten flüssig sein und mit möglichst wenig Zügelhilfen von statten gehen. Nicht das Ziehen am Zügel bringt das Pferd in die langsamere Gangart, sondern vielmehr ein schweres Sitzen und Herantreiben an den anstehenden Zügel.
Durch den Wechsel von gebogenen zu geraden Linien förderst du außerdem das Geraderichten. Schlangenlinien eignen sich hierfür zum Beispiel besonders gut. Eine gute Übung ist auch, beim Überreiten der Mittellinie einen Übergang einzubauen oder kurz davor durchzuparieren und danach wieder anzutraben oder anzugaloppieren. Losgelassenheit, Anlehnung, Schwung und Geraderichten werden bei dieser Übung trainiert.
Schulterherein Reiten
Bei einer fortgeschrittenen Ausbildung deines Pferdes bietet sich das Reiten von Schulterherein besonders an, um das innere Hinterbein zu aktivieren und das laterale Gleichgewicht zu verbessern. Jedoch musst du auch hier darauf achten, dass der Takt eine wichtige Priorität darstellt. Ebenso solltest du dein Pferd auf keinen Fall mit Gewalt in die Stellung zwingen, sondern mit dem richtigen Zusammenspiel der diagonalen Hilfengebung.
Egal welche Ausbildungsskala-Übung du reitest, achte immer auf eine feine Hilfengebung. Grobe Hilfengebungen haben zur Folge, dass dein Pferd zu stark reagiert und nicht weiß, was du von ihm willst, oder es stumpft mit der Zeit ab. Denke daran, deine Hilfen mehr als Impuls zu geben und nur dann, wenn du etwas von deinem Pferd verlangst. Nach dem Annehmen des Zügels folgt immer das Nachgeben und auch die Schenkelhilfen sollten zu den richtigen Zeitpunkten eingesetzt werden. Einem Pferd, welches andauernd mit dem Schenkel oder noch schlimmer mit den Sporen in die Seite geboxt wird, fällt es schwer, Durchlässigkeit zu zeigen und stumpft außerdem ab.
Hast du Schwierigkeiten mit deinem Tier, ist es eine gute Selbstkontrolle, die Punkte der Ausbildungsskala durchzugehen. Überstürze nichts, sondern sei dir in jedem Moment bewusst, wo ihr euch gerade auf der Skala befindet und welche Phase als nächstes kommt. Sitzt ein Punkt noch nicht ganz, arbeite erst daran, bevor du den nächsten in Angriff nimmst.
Solltest du damit keinen Erfolg haben, ziehe dir einen Trainer zurate, denn die Skala der Ausbildung ist zwar ein gutes Instrument, aber manchmal kommt man ohne Hilfe einer ausgebildeten Person nicht weiter. Ansonsten führt es nur zu Frustration bei dir und deinem Vierbeiner.
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